Postulat: problematische Vorwirkung der öffentlichen Auflage Ortsplanungsrevision
12. Dezember 2022 – Dringliches Postulat betreffend problematische Vorwirkung der öffentlichen Auflage bei der anstehenden Ortsplanungsrevision
I. Ortsplanungsrevision
Die Gemeinde Emmen muss die kommunale Nutzungsplanung insbesondere aufgrund von Änderungen des kantonalen Rechts einer Totalrevision unterziehen. In einem mehrstufigen Prozess werden die Planungsgrundlagen überarbeitet. Diesen Sommer konnte die Gemeinde die öffentliche Mitwirkung durchführen und die Unterlagen dem Kanton zur Vorprüfung unterbreiten. Voraussichtlich im ersten Halbjahr findet die erste Lesung im Einwohnerrat statt. Danach erfolgt die öffentliche Auflage (zweites Halbjahr 2023).
II. Wechsel zur Überbauungsziffer
Im Rahmen dieser Ortsplanungsrevision muss die Gemeinde die Überbauungsziffer einführen. Die heute geltende Ausnützungsziffer wird abgelöst. Dies hat der Kantonsrat mit der Änderung des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL 735) am 17. Juni 2013 beschlossen. Dieser Paradigmawechsel führt zu grossen Veränderungen in der kommunalen Nutzungsplanung. Alle Grundstücke in der Gemeinde sind davon betroffen.
III. Vorwirkung der öffentlichen Auflage
Sobald die Gemeinde die Totalrevision der Nutzungsplanung öffentlich auflegt, greift § 85 Abs. 2 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes. Die neuen Nutzungspläne und neuen Bau- und Nutzungsvorschriften gelten ab dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Auflage als Planungszone. Der Gemeinderat muss in Baubewilligungsverfahren deshalb jeweils prüfen, ob das Bauvorhaben sowohl die bisherigen als auch die neuen Bau- und Nutzungsvorschriften einhält. Man spricht von einer sog. Vorwirkung der Nutzungsplanungsrevision. Obwohl die neuen Bestimmungen noch nicht in Kraft sind, müssen sie bereits beachtet werden.
IV. Problematik
Grundsätzlich macht die Vorwirkung bei Nutzungsplanungsrevisionen Sinn. Schliesslich soll nichts gebaut werden, was die Planungsabsicht gefährdet.
Bei der anstehenden Totalrevision wirkt sich die Vorwirkung für die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer allerdings problematisch aus. Aufgrund der vollständig neuen Konzeption ergeben sich gravierende Veränderungen in den Bebauungsmöglichkeiten. Die Grundeigentümerschaft muss ab der öffentlichen Auflage der Revision die alten und die neuen Bau- und Nutzungsvorschriften beachten. Faktisch wird während dieser Zeit die Bebaubarkeit der Parzellen in der Gemeinde stark eingeschränkt. Betroffen dürften vornehmlich kleinere Grundstücke sein, da bei grösseren Parzellen die Vorgaben der Sondernutzungspläne greifen. Es ist damit zu rechnen, dass zahlreiche Bauvorhaben auf diesen kleineren Parzellen aufgeschoben werden und dann eine Flut von Eingaben auf die Gemeinde zurollt. Entsprechende Hinweise haben sich in letzter Zeit gehäuft.
Die Vorwirkung greift zeitlich von der öffentlichen Auflage bis zum Inkrafttreten der neuen Nutzungsplanung. Gemäss Planung der Gemeinde ist mit einer Zeitdauer von mindestens einem Jahr zu rechnen (öffentliche Auflage, Einspracheverfahren, Beschluss Einwohnerrat, fakultatives Referendum, Rechtsmittelmöglichkeiten, Genehmigung durch Regierungsrat). Gehen viele Einsprachen ein, dürfte sich die Zeitdauer noch erhöhen. Somit ist während mindestens eines Jahres mit Einschränkungen in der Bebaubarkeit zu rechnen.
V. Lösungsvorschlag
Die Gemeinde hat rechtlich keine Möglichkeit, die Vorwirkung im Bau- und Zonenreglement auszuhebeln. Das übergeordnete kantonale Recht ist massgebend. Die Gemeinde muss sich beim Kanton für eine Änderung der Übergangsbestimmung zur Änderung des Planungs- und Baugesetzes vom 17. Juni 2013 (§ 224 Planungs- und Baugesetz) einsetzen. In § 224 des Planungs- und Baugesetzes könnte beispielsweise folgende Formulierung aufgenommen werden: «§ 85 Abs. 2 greift nicht für neue Nutzungspläne und neue Bau- und Nutzungsvorschriften, welche zur Umsetzung der Änderung vom 17. Juni 2013 öffentlich aufgelegt werden.»
Rechtlich sollte eine Änderung des Planungs- und Baugesetzes umsetzbar sein. Andere Kantone kennen vergleichbare Regelungen; z.B. der Kanton Nidwalden in Art. 177 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Planungs- und Baugesetz, PBG; NG 611.1).
Eine solche Änderung des Planungs- und Baugesetzes müsste dringlich erfolgen, damit sie im Herbst 2023 in Kraft treten kann. Von einer solchen Änderung würde nicht nur die Gemeinde Emmen, sondern auch viele andere Gemeinde profitieren. Letztlich wäre dies ein pragmatischer und einfacher Ansatz, ohne dass damit raumplanerische Nachteile für die Gemeinden resultieren.
VI. Forderung
Der Gemeinderat wird aufgefordert, sich umgehend beim Regierungsrat bzw. beim Kantonsrat des Kantons Luzern für eine Änderung des Planungs- und Baugesetzes einzusetzen. Das Planungs- und Baugesetz soll insoweit geändert werden, als in § 224 die Vorwirkung der öffentlichen Auflage beim Wechsel von der Ausnützungsziffer zur Überbauungsziffer ausgesetzt wird (vgl. den möglichen Lösungsvorschlag in Ziff. V).