Postulat betreffend Stellvertretung im Einwohnerrat
31. Oktober 2022 – Der Gemeinderat hat sich beim Kanton – idealerweise gemeinsam mit anderen Gemeinden – dafür einzusetzen, dass die kantonalen Rechtsgrundlagen geändert und die Stellvertretung in kommunalen Parlamenten ermöglicht werden.
I. Ausgangslage
a) Abwesenheiten und Rücktritte
Seit Beginn der Legislatur 2020-2024 mussten an 13 Sitzungen insgesamt 38 Einwohnerratsmitglieder aus ganz unterschiedlichen Gründen (Zivildienst, private oder berufliche Verpflichtungen, Ferien oder Krankheit etc.) entschuldigt werden. Den einzelnen Fraktionen gehen dadurch Stimmen verloren. Die Abstimmungsergebnisse und die demokratische Legitimation der Entscheide des Einwohnerrates werden beeinflusst.
Zudem sind seit Beginn der Legislatur bereits 15 Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte zurückgetreten. Die FDP sowie die SVP mussten bereits Personen nachnominieren, da keine Ersatzmitglieder gemäss Wahllisten mehr zur Verfügung standen.
b) Mögliche Gründe
Die Gründe für die Abwesenheiten an den Sitzungen sind vielfältig. Die Einwohnerratssitzungen finden am Nachmittag statt. Die Sitzungen kommen beruflichen oder familiären Verpflichtungen in die Quere. Abwesenheiten beim Job sind nicht immer möglich. Die Kinderbetreuung kann nicht immer sichergestellt werden.
Auch über die Gründe der zahlreichen Rücktritte lässt sich nur spekulieren. Berufliche, familiäre und vereinzelt auch polittaktische Überlegungen dürften massgebend sein. Doch oft ist der Zeitaufwand ein Argument für den Rücktritt. Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte können oder wollen nicht an allen Sitzungen anwesend sein. So sind sie wohl oder übel gezwungen, einer anderen Person Platz zu machen.
II. Stellvertretung im Einwohnerrat
Die Abwesenheiten und Rücktritte zeigen, dass das Milizsystem an seine Grenzen kommt. Es braucht neue, innovative Ansätze, damit der Rat wieder vermehrt vollzählig ist und weniger Rücktritte erfolgen. Nur so kann der Einwohnerrat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig auftreten.
Eine Stellvertretungsregelung, wie es die Kantone Wallis, Neuenburg, Jura, Graubünden und Genf sowie einzelne Gemeinden bereits kennen, könnte Abhilfe schaffen. Die gewählten Mitglieder könnten sich an Einwohnerrats- und Kommissionssitzungen durch Ersatzmitglieder vertreten lassen (Suppleanten).
Als Suppleant hätten Ersatzmitglieder einerseits die Möglichkeit, erste wichtige
Erfahrungen im Einwohnerrat bzw. in den Kommissionen zu sammeln. Sie
könnten sich so bereits auf spätere Engagements vorbereiten. Andererseits
würde sich die demokratische Legitimation der Entscheide im Einwohnerrat
erhöhen. Der Rat könnte vermehrt in Vollbestand entscheiden. Als positiver
Nebeneffekt würden unter Umständen vereinzelte Rücktritte und
Nachnominierungen verhindert.
Eine Stellvertretungsregelung wäre insbesondere für Frauen attraktiv, die
neben Beruf und Familie leider zu oft kein politisches Amt ausüben können
bzw. wollen. Doch auch für selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer,
für Arbeitnehmende, die am Arbeitsplatz anwesend sein müssen oder für
Junge, die sich noch in Ausbildung befinden, kann ein solches System
interessant sein.
Dank einer Stellvertretungsregelung wäre die Suche nach geeigneten
Kandidatinnen und Kandidaten für alle Parteien wieder einfacher. Schliesslich ist es eine Tatsache, dass einige politikinteressierte Personen sich nicht für die Wahlen zur Verfügung stellen, weil sie nicht die ganzen 4 Jahre ihrer Amtszeit an allen Sitzungen teilnehmen können; sei es wegen Mutterschaft, Aus- oder Weiterbildung, Militär- oder Zivildienst.
III. Rechtliche Würdigung
In der Stadt Luzern wurde mit der Motion Nr. 82 von Noëlle Bucher, Marco Müller, Luzia Vetterli, Jules Gut und Roger Sonderegger am 27. April 2017 ein ähnlicher Vorstoss eingereicht. Der Stadtrat führte in seiner Beantwortung aus, dass ein Stellvertretungssystem mit dem kantonalen Recht unvereinbar sei. Aus rechtlicher Sicht hat sich seit jenem Vorstoss grundsätzlich nichts geändert. Der Vorstoss in der Stadt Luzern und die Situation in der Gemeinde Emmen zeigen auf, dass neue Wege gefunden werden müssen. Deshalb soll der Gemeinderat beim Kanton vorstellig werden und eine Änderung der kantonalen Gesetzgebung verlangen. Die Stimmrechts- und
Gemeindegesetzgebung sollen so ausgestaltet werden, dass Stellvertretungslösungen in den Gemeindeparlamenten möglich sind. Jede Parlamentsgemeinde soll eigenständig entscheiden können, ob sie ein solches System einführen will.
IV. Forderung
Der Gemeinderat hat sich beim Kanton – idealerweise gemeinsam mit anderen Gemeinden – dafür einzusetzen, dass die kantonalen Rechtsgrundlagen geändert und die Stellvertretung in kommunalen Parlamenten ermöglicht werden.